Object

Title: KFZ-Kennzeichen meines „Wartburg Tourist“

Creator:

Dr. Volker Liskowsky

Type of object:

KFZ-Kennzeichen

Geolocation (spatial coverage):

Time scope (temporal coverage):

1989-10-9

Description:

Das Autokennzeichen gehört zu einem PKW „Wartburg Tourist“, mit dem ich und mein Sohn am 9. Oktober 1989 von Reichenbach nach Leipzig fuhren. Ich war damals Oberassistent an der TH Zwickau, kein Genosse. So konnte ich den „Vorteil“ nutzen, dass ab 15 Uhr Parteiversammlung angesetzt war und ich deshalb ab 15.30 Uhr - eine Stunde vor offiziellem Arbeitszeitende - aus dem Haus gehen konnte. In der Hochschule vorhandene Drucker mussten jeweils bei Arbeitsende in Schränken verschlossen werden, damit keine illegalen Druckerzeugnisse hergestellt werden konnten. Das tat ich und fuhr dann zum Bahnhof Zwickau, um dort meinen aus Dresden kommenden Sohn vom Zug abzuholen. Auslöser für das Vorhaben, gemeinsam nach Leipzig zu fahren, waren meine Erlebnisse bei der gewaltsamen Aktion der Staatsmacht vor dem Bahnhof Reichenbach am 4. Oktober 1989, als dort die Züge mit den Prager Botschaftsflüchtlingen für den Lokwechsel halten mussten. Einer solchen Gewalt musste man sich widersetzen! Und für Leipzig war am 9. Oktober die entscheidende Auseinandersetzung angekündigt. Eigentlich wollte ich allein fahren, da davon auszugehen war, dass geschossen werden würde. Dem setzt man seinen 15jährigen Sohn nicht aus. Aber meine Frau meinte, er - als ältestes von sieben Kindern - solle das erleben. Deshalb fuhr mein Sohn mit. Am Abend vor der Abfahrt fragte meine Schwiegermutter, die mit uns im noch nicht ganz fertiggestellten Haus wohnte, warum ich nach Leipzig fahren wolle. Meine Antwort: „Das Haus ist zur Zeit auf Sand gebaut. Ich will helfen, dass ein festes Fundament darunter kommt. Ich weiß, dass ich ein Sandkorn bin. Aber viele Sandkörner ergeben einen Sandsturm.“ Aus Zwickau abgefahren, fürchtete ich, unterwegs angehalten zu werden. Es sollten sicher nicht zu viele Leute nach Leipzig hineingelassen werden. Das passierte nicht. Ich parkte das Auto in Leipzig in der Arndtstraße gegenüber dem Gefängnis. Dort befand sich auch ein Wohnheim evangelischer Schwestern; eine dieser Schwestern war die Patentante eines meiner Kinder. Als ich mein Auto dort abstellte, warnten die Schwestern dringend, keinesfalls in die Leipziger Innenstadt zu gehen. Dort würde geschossen werden. Sie hatten am Vormittag des 9. Oktober gesehen, wie sich die militärischen Einheiten in Stellung gebracht hatten. Ich ging dennoch mit meinem Sohn in die Stadt. Die Schwestern meinten, „wenn ihr gehen wollt, geht demonstrieren. Wir leisten unseren Beitrag, indem wir hier beten.“ Als wir an der Nikolaikirche ankamen, war der Gottesdienst gerade zu Ende. Die Menschen strömten aus der Kirche, sammelten sich davor und formierten sich zur Demonstration. Schon auf dem Nikolaikirchhof stehend, hörten wir, dass jemand sprach, ohne jedoch Genaueres zu verstehen. Das war wohl Kurt Masur, der zum friedlichen Verlauf aufrief. Zunächst standen wir am Ring, am Rande des Demonstrationszuges. Aus dem Zug wurde gerufen: „Schließt euch an! Schließt euch an!“ Also gingen wir mit in den Demonstrationszug, suchten aber die Deckung von Gebäuden, falls geschossen würde. Wir gingen mit dem Demonstrationszug über den Georgiring bis zum Wintergarten-Hochhaus. In der Rosa-Luxemburg-Straße sahen wir große LKW W-50 Armeefahrzeuge mit vorn angebauten Gitterzäunen aus Metall, ca. drei Meter hoch und bis knapp über den Straßenbelag reichend, um jedes Durchkommen zu verhindern - Menschenschieber. Dahinter standen Soldaten, bewaffnet. Das alles waren sehr erschreckende Bilder. Im Park am Schwanenteich und in der Goethestraße waren ebenfalls bewaffnete Kräfte, wohl Bereitschaftspolizei. Dort beobachtete ich eine Mutter, die ihren Sohn suchte, der als gerade eingezogener Wehrpflichtiger dort sein konnte. Sie wollte ihn bitten, auf keinen Fall zu schießen.

Notes:

Text per Email an Christiane Grün gesendet

Format:

text/xml

Identifier:

oai:europeana1989.eu:1367

Language:

Deutsch

License:

Creative Commons Namensnennung -Weitergabe unter gleichen Bedingungen (CC-BY-SA)

Rights holder:

Dr. Volker Liskowsky

Digitisation:

Europeana 1989 - Leipzig, 16-17.05.2014

Origin Country:

Germany

Object collections:

Last modified:

Jul 21, 2014

In our library since:

May 17, 2014

Number of object content hits:

115

All available object's versions:

https://fbc.pionier.net.pl/zbiorki/publication/1370

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Edition name Date
LPZ010 Jul 21, 2014
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