Title:

Meine Erfahrungen 1989

Creator:

Leander Streubel

Obligatory keywords (Europeana 1989) :

Alltag ; Militär, Polizei ; Bürgerbewegung ; Religion, Kirche

Optional keywords (Europeana1989):

Kriegsdienstverweigerung ; Wolfgang Schnur

Geolocation (spatial coverage):

51.338934,12.380981 OpenStreetMap ; DDR OpenStreetMap

Time scope (temporal coverage):

1989 ; 1991

Description:

Ich komme aus Leipzig, 1989 war ich 24 Jahre alt. Nach meiner Lehre als Bautischler hatte ich eine Anstellung als Hilfskraft in der Restaurierung im Schloss Machern (bei Leipzig) gefunden. Schon früh entwickelte sich meine humanistisch-pazifistische Weltanschauung. So verweigerte ich im Rahmen der vormilitärischen Ausbildung (für junge Männer üblicher Bestandteil der Berufsausbildung) die Ausbildung an der Waffe. Dies führte im Anschluss an die Lehre dann dazu, dass ich mich als Bausoldat (waffenloser Wehrersatzdienst) mustern ließ. Als aktives Mitglied in der Arbeitsgruppe für Frieden und Menschenrechte reifte später in mir der Entschluss, den Wehrdienst total zu verweigern. Anfang 1989 kam der Einberufungsbefehl mit Bekanntgabe der Wehrdienstverweigerung gegenüber dem Wehrkreiskommando der Stadt Leipzig. Da dies einem Straftatbestand entsprach, fand ich rechtlichen Beistand durch Herrn Wolfgang Schnur. Unter Oppositionellen war Schnur als einziger Rechtsanwalt bekannt, der sich für Bürgerrechtler, Wehrdienstverweigerer etc. einsetzte. (Allerdings stellte sich drei bis vier Jahre nach der Wende heraus, dass Schnur Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi war.) Geistig-moralischen Beistand fand ich durch meine katholische Heimatgemeinde, in der ich aktiv war sowie über das katholische Bischofsordinariat. Zu einem Gerichtsverfahren inklusive einer theoretisch möglichen Verurteilung mit in der Regel zweijähriger Haftstraße in einem politischen Gefängnis kam es zum Glück nicht mehr, da zum einen die DDR-Strukturen kurze Zeit später nicht mehr funktionierten und, wie sich nach der Wende herausstellte, es seit geraumer Zeit zu keinen Strafverfahren mehr kam, die mit Freiheitsentzug endeten. Nach meinem frühen Coming-out war ich, neben meinem Engagement in der Bürgerbewegung, auch aktiv in der evangelischen Studentengemeinde Leipzig im Arbeitskreis Homosexualität tätig. Im Herbst 1989 lernte ich meinen langjährigen Partner in Leipzig kennen. Allgemein herrschte eine sehr energetische, euphorische Stimmung, in der man spürte, dass sich ein politischer Wechsel anbahnte. Ich persönlich hatte einen großen Elan bei der Umsetzung eines demokratischen Sozialismus. Ein vereintes Deutschland war für mich damals jenseits jeglicher Vorstellungskraft. Mein Elan ließ sofort nach, als der Wendeslogan „Wir sind das Volk“ in den Slogan „Wir sind ein Volk“ wechselte und der Einfluss der etablierten westdeutschen Parteien, insbesondere der der CDU, deutlich wurde. Der Traum eines vereinten Deutschlands war nicht Teil meiner Sozialisation. Nach 1989 hat sich wahnsinnig viel entwickelt, man konnte seine Lebensläufe anders gestalten. Ich absolvierte ab 1991 eine Ausbildung zum Baudenkmalpfleger in Westdeutschland. Nach der ersten gesamtdeutschen Wahl herrschte in mir eine große politische Enttäuschung und Desinteresse aufgrund des „haushohen“ Wahlsiegs für die CDU. Die Ziele einer demokratischen Gesellschaft sah ich durch diese Wahl nicht wirklich verwirklicht. 1991 bekam ich eine erneute Einberufung zum Wehrdienst - ohne Berücksichtigung meiner noch in der DDR artikulierten Haltung zum Militärdienst. Erneut musste ich meine pazifistische Weltanschauung verteidigen. Neben einer Beschwerde bei Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth führte vor allem ein Erlass des zuständigen Bundesministeriums - der regelte, dass Bausoldaten aus dem Beitrittsgebiet per se als Kriegsdienstverweigerer nach dem Kriegsdienstverweigerungsgesetz gelten - dazu, dass ich ohne jegliche weitere Anhörungen als Kriegsdienstverweigerer anerkannt wurde. Aufgrund meiner Ausbildung zum Baudenkmalpfleger musste ich den Wehrersatzdienst nicht mehr leisten.

Type of object:

Fotografie

Format:

image/jpeg

Identifier:

LPZ011

Relation (link):

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License:

Creative Commons Namensnennung -Weitergabe unter gleichen Bedingungen (CC-BY-SA)

Rights holder:

Leander Streubel

Digitisation:

Europeana 1989 - Leipzig, 16-17.05.2014

Origin Country:

Germany

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